Für heute Vormittag habe ich mich mit Eliza verabredet. Sie wohnt in Eselnita, 30min Fahrt von Herculane entfernt circa. Wir haben uns vor zwei Jahren im Tierheim bei einer Kastrationsaktion kennengelernt. Dabei haben wir festgestellt, dass wir beide Lehrerinnen sind und uns viele Themen sehr ähnlich bewegen. Eliza wollte mich immer schon mal in ihre Schule einladen und mir zeigen, was sie so macht und vor allem wie sie versucht in den ländlichen Regionen Aufklärung zu betreiben, damit vor allem die jungen Generationen lernen, was Nachhaltigkeit und auch Tierschutz bedeutet. Eliza selber hat in ihrem Dorf 40 Hunde in einem mini Shelter, die sie betreut. Immer wieder organisiert sie kleine Kastrationsaktionen entlang der Donau und versucht in ihrem Bereich auch politisch viele Dinge voranzutreiben, sie ist Teil des Stadtrats.
Der Weg nach Eselnita führte mich immer entlang der Donau und malerische Szenen erhoben sich am Morgen. Der breite Fluss windet sich entlang am Fuß der Berge durch ein enges Tal. Die größere Stadt Orsova musste ich passieren, wo ich diesen tollen Moment festhalten konnte:
Eselnita liegt deutlich erhöht und so ging es hoch in die Berge. Eliza hatte mir den Weg gut beschrieben, ich brauchte kein Navi. Auf dem Weg begegneten mir am Straßenrand einige ältere Menschen, die schwer beladen mit Taschen oder kleine Karren unterwegs waren. Die meisten gebückt, langsam laufend, eher kriechend. Links die malerische Donau, entgegenkommend ein 40 Tonner nach dem anderen (die E70 ist quasi die wichtigste Verbindung durch die Karpaten, hier rollt alles durch, was Richtung Craiova oder Timisoara unterwegs ist – eine Autobahn gibt es hier nicht…) und rechts nahe des Straßengrabens die alten Leute, die sicherlich noch einen weiten Weg vor sich hatten… Surreale Momente irgendwie…
Die Schule fand ich sehr schnell, denn Eliza sagte mir, dass ich den großen Fußballplatz nicht verpassen kann und ich dort einbiegen soll. Eliza wartet schon auf mich.
Eliza begrüßte mich sehr herzlich – wir hatten uns ja fast zwei Jahre nicht gesehen – und sie wollte mir zuerst ihre Schule zeigen. Aktuell sind auch hier Sommerferien, diese gehen immer 2.5 Monate. Die Schule war gerade also leer bis auf einige Kolleginnen, die noch die Räume säuberten und neu strichen. Die Schule in Eselnita ist recht klein, pro Jahrgang ( es geht bis Klasse 9 aktuell) eine Klasse mit circa 22 Kindern. Auch der Grundschulbereich ist hier vertreten, der Kindergarten liegt direkt gegenüber. Früher waren hier deutlich mehr Kinder, doch viele junge Leute zieht es in die größeren Städte oder direkt ins Ausland, da sie sich auf dem Land kaum Chancen errechnen, einen guten Lebensstandard zu errichten. Jobs gibt es gerade in den ländlichen Bereichen eigentlich nur im Tourismusbereich…Daher wird der Nachwuchs immer weniger…
Das Schulgebäude ist sehr einfach, man merkt, dass es an vielen Ecken an Geld fehlt, aber das Kollegium hier gibt sich aller größte Mühe, damit die Kinder in einer guten Umgebung lernen können. Mehr als die Hälfte der Schülerschaft gehört den Sinti & Roma an, die auch hier in Rumänien durchaus einen schweren Stand haben. Viele Kinder kommen aus sehr bildungsfernen Schichten, lernen hier zum ersten Mal ein wenig, ihren Tag zu strukturieren. In der Schule wird zum Beispiel das Fach „Selbstorganisation“ unterrichtet. Es soll den Kindern helfen, überhaupt für sich eine Struktur zu finden, da in vielen Familien so etwas gar nicht bekannt ist. Eliza zeigte mir sehr stolz die Bibliothek der Schule, die sie verwaltet und für mich war es sehr spannend, einmal in die rumänischen Schulbücher zu schauen. Vieles ist sehr anders, die Schultage hier sind deutlich kürzer als bei uns in Deutschland und gerade in den unteren Klassen geht es sehr spielerisch zu, damit die Kinder langsam an die Schule gewöhnt werden. Die Bedingungen, die hier vorliegen, sind nicht einfach, umso mehr bewundere ich das Engagement von Eliza. Ab 10 Uhr hatte Eliza einige Kinder eingeladen, mit denen sie vorher unter anderem auch über die Arbeit von ProDogRomania e.V. gesprochen hatte. Sie haben sich zusammen unsere Homepage angeschaut und Eliza hatte ihnen von dem Tierheim in Herculane berichtet, das sie ja selber kennt. Einige Kinder sprachen gut Englisch und so konnte ich mich mit ihnen unterhalten (mein Rumänisch ist (noch) zu schlecht, ich träum ja immer noch von dem Besuch eines Sprachkurses seit 5 Jahren…). Einige von ihnen hatten Fragen vorbereitet und sie waren total neugierig und interessiert. Wir saßen zusammen draußen in dem Außenklassenraum, den Eliza letztes Jahr über eine Fundraising Aktion ermöglicht hatte. Sie fragten mich einige Dinge zur Tierschutzarbeit hier vor Ort, wollten aber auch viele Dinge über Deutschland, die Schule dort und unsere Sprache wissen. Eliza erzählte mir, dass sie letztes Jahr mit den Kindern ein Theaterstück zum Thema Straßenhunde geplant und in Orsova auf einer Bühne aufgeführt hatte. Immer wieder versucht sie dieses Thema in den Unterricht einfließen zu lassen und die Kinder für den Tierschutz zu sensibilisieren. Für viele ist dieser Bereich völlig neu und die meisten hatten bisher noch nicht viel mit Tieren zu tun. Eliza erzählte mir, dass viele Menschen hier, gerade auch die Erwachsenen, sehr wenig über Haustierhaltung wissen. Viele gehen immer noch davon aus, dass Katzen und Hunde schlimme Krankheiten übertragen, dass Impfungen Hexenwerk sind und dass man einem kranken Tier nicht helfen kann. Vor Kastrationen haben viele Leute Angst und sorgen sich, dass ihr Tier danach völlig verändert sein wird.
Eliza und ich haben uns verabredet, dass wir beide im Austausch bleiben und wir uns gegenseitig regelmäßig treffen wollen. Unser Shelter in Baile steht der Schule offen, gerne können Schülergruppen dort vorbeischauen, gerne auch mithelfen (Versorgung der Welpen) und Kontakt aufnehmen zu dem, was unmittelbar vor ihren Augen passiert…Nur, wenn wir diese jungen Menschen erreichen und ihnen all das Wissen über Haustierhaltung geben, was wir bereits haben, wird sich ihre Sichtweise ändern. Nur, wenn wir empathisch vorgehen und ihnen auf ihrem Entwicklungsweg vermitteln können, dass jedes Lebewesen schützenswert ist, wird hier ein Umdenken stattfinden können. Ich bin heute auf sehr interessierte und aufgeschlossene Menschen getroffen, die mir Hoffnung machen. Sie machen mir Hoffnung, dass wir hier in vielleicht 30 Jahren nicht mehr gebraucht werden. Aber es braucht Menschen wie Eliza, die jede freie Minute dafür opfern, diesen Job (der hier im Übrigen maximal unterbezahlt ist) so zu gestalten und auszufüllen. So viel privates Engagement fließt hier rein, so viel Einsatz, den niemand so richtig sieht… Wir haben uns versprochen, dass wir uns helfen werden, wo es auch irgendwie möglich ist und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese Verbindung weiter ausbauen werden.
Nachdem wir die Kinder verabschiedet hatten, zeigte mir Eliza ihr kleines „mini Shelter“, wo aktuell circa 40 Hunde leben. Es ist nah an der Schule und wenn Eliza dort fertig ist, versorgt sie ihre Tiere… Alle wurden bei ihr abgegeben oder sie hat sie selber gefunden
Für das Wochenende Ende Juli hat sie wieder eine Kastrationsaktion geplant und ihr Handy klingelte immer wieder, weil Tierbesitzer bei ihr Termine ausmachen wollen…Ein gutes Zeichen!
Nach einer kleinen Mittagspause bei ihr Zuhause, wo ich ihren Mann und ihren 5 Jahre alten Sohn und alle ihre Tiere kennengelernt habe, wollte Eliza mir noch ihre Gegend ein wenig zeigen und ich war mir gar nicht sicher, wo wir enden würden… Entlang der Donau – mein Handy wollte sich immer mit dem serbischen Netz verbinden (die Donau ist hier die natürliche Landesgrenze zwischen Rumänin und Serbien) – zeigte Eliza mir ganz wunderbare Orte… Immer die Berge zur rechten Hand und links die großen Wasserflächen… Seit knapp 15 Jahren wird hier ununterbrochen gebaut und die Grundstücke direkt an der Donau sind auch hier mittlerweile unbezahlbar. Ein Hotel neben dem anderen, direkt am Wasser. Einige davon nie richtig fertiggestellt, viele inaktive Baustellen… Als wir Kurve für Kurve an den Felsformationen entlangfuhren, dämmerte es mir langsam, dass ich das hier alles schon mal irgendwie mehrfach gesehen hatte… Aber nicht mit eigenen Augen, sondern aus meinem ersten Reiseführer über Rumänien…. Das hier musste ganz nah in der Ecke des bekannten Decebalus Felsen sein… Und ehe ich es aussprechen konnten, bogen wir um die Ecke und Eliza sagte: Here is the FACE! Und da war er…. Endlich war ich auch mal an diesem Ort – vor 10 Jahre habe ich das Foto das erste Mal gesehen….Ich hätte nicht gedacht, dass es so lange braucht, bis ich es mal sehe und das heute der Tag dafür gekommen war… Aber vieles ist in den letzten 10 Jahren passiert, was ich so nicht ganz geplant hatte. 🙂
Wer mehr darüber lesen will, findet hier einige interessante Infos:
https://www.itinari.com/de/decebalus-the-last-dacian-king-immortalized-on-the-danube-river-k9c9
Ich hatte gar nicht so richtig bemerkt, wie heiß es heute geworden ist…Als ich mich gegen 14 Uhr von Eliza verabschiedete, waren es knapp 35 Grad im Schatten… Da ich unbedingt nochmal kurz auf Empfehlung nach Drobeta Turnus Severin fahren wollte, entschloss ich mich, es jetzt zu machen, da es ohnehin viel zu heiß war, um im Tierheim zu arbeiten und ich war quasi schon auf halbem Wege… Der Weg dahin war wunderschön zu fahren und auch Severin ist eine Reise wert… Vielleicht schaut ja mal der ein oder andere dort vorbei.
Gegen halb 4 war ich wieder im Tierheim und nach kurzer Lagebesprechung mit Alex ging es für uns in den G-Kennels weiter. Mishu war auf dem Weg nach Ploiesti, um Welpenfutter der letzten Spendenaktion abzuholen. Eine Tagesreise für ihn…Er kommt heute gegen 22 Uhr wieder im Shelter an.
Nachdem ich mit Alex heute Abend bei großer Hitze noch alle Hunde mit Wasser versorgt habe und nochmal die Mama in der Quarantäne mit ihren Babies gecheckt hatte, bin ich in die Pension gefahren. Ein echt langer Tag, der mich aber wieder ein ganzes Stück weitergebracht hat. So gerne ich auch eigentlich nur bei den Hunden bin und mich durch die Kennels wühle und in Hundehütten nach jeder kleinen Chance schaue, so wichtig ist es aber auch, dass man sich Zeit für solche Besuche wie heute Vormittag nimmt. Im Kleinen für uns haben wir einiges erreicht, aber das Networking in die verschiedenen Teilbereiche der Gesellschaft ist so wichtig. Wenn wir Kastrationsaktionen haben, sprechen unsere Kollegen/innen vor Ort immer wieder auch mit Passanten und Gästen, um ihnen die Notwendigkeit deutlich zu machen… Heute habe ich mit Eliza deutlich gemerkt, wie wichtig es ist, dass wir gerade bei den Kindern auch genau an diesen Stellen ansetzen und sie mitnehmen, damit sie verstehen, dass nicht die Hunde und Katzen hier das Problem sind…Unser Ziel ist es, dass wir eines Tages nicht mehr hier gebracht werden. Dass den Menschen hier klar ist, an welchen Stellschrauben sie drehen müssen. Dass Bürgermeistern klar ist, wie wichtig diese Kastrationsangebote sind und dass wir nur über diese Schiene etwas erreichen können. Dass Menschen Wissen darüber haben, was ein Hund / eine Katze braucht…Dass Brandmarken und das Abschneiden von Ohren nicht zur Gesundheit des Hundes beiträgt, eine Impfung wohl aber schon…. Es gibt noch viel zu tun, aber ich denke, dass wir in den letzten Monaten bei einigen Dingen wieder wirklich neue Schwerpunkte setzen konnten, die wichtig für unser Weiterkommen sind… Nun geht es darum, unsere Ideen weiter auszubauen. Das Fundament ist gelegt, ich bin gespannt auf die nächsten Monate…
Habt einen schönen Abend!
Anna