Früh ging es heute los, denn es gab viel zu tun! Das hat uns der gestrige Tag vor Augen geführt. Zuerst ging es nochmal ins Vethouse, ein alter Rüde, wir haben ihn Rio Reiser getauft, war uns gestern noch nicht begegnet dort. Der kleine Kerl hing jahrelang an der Kette und wurde nun ins Tierheim abgeschoben, da er alt ist und massiven Husten hat. Den behandelt Andreea aktuell, was aber eher ein mittelprächtiges Vergnügen ist, denn RIO hat da absolut keine Lust drauf. Wir müssen schauen, wie er sich macht, aber auch hier muss man eben auch realistisch sagen: Die Behandlung von alten kautzigen Hunden fällt nicht unter die Rubrik „Vergnügung“.
Heute stand P4 als Welpenkennel auf dem Plan – pro Tag geht nervlich nur einer dieser Kennels, denn der Stresspegel ist unfassbar und wird noch potenziert, wenn wir dort arbeiten und für viel Aktivität sorgen.
Wir waren dort noch nicht ganz fertig, als Andreea mich holte, um mir die nächsten Sorgenkinder zu zeigen. Zwei neue Welpenmädchen, in der Kiste angeliefert. Niemand kannte die Mutter, beide wurden angeblich gefunden usw…Ob das stimmt, wird uns niemand sagen können…Die beiden wurden direkt entwurmt und geimpft.
Nach P4 gingen wir zu den restlichen G-Kennels, die wir gestern nicht geschafft hatten. Hier haben wir unter anderem Neero besucht und Mioritic Yeti. Beide immer noch sehr freundlich, aber schon deutlich reduzierter in ihrer Motiviation, die Zwinger mit uns verlassen zu wollen. Sie wissen genau, dass sich diese Tür für sie das gesamte letzte Jahr nicht geöffnet hat, warum sollte nun etwas passieren?
Heute haben wir auch einige Hunde – wie Batida – getroffen, die wir aus der Tötung übernommen haben. Die meisten von ihnen sind gut aufgetaut und haben uns freundlich begrüßt. Es läuft einem wirklich kalt den Rücken runter, wenn man weiß, dass sie eigentlich schon gar nicht mehr unter uns wären. Jeder für sich ist besonders und alle sind sie auf ihre Art liebenswert….
Der Besuch bei Opa LUKO hat uns sehr berührt. Er kam vor einigen Monaten zu uns und man hatte versucht, ihn mit einer Eisenstange zu erdrosseln. Der gesamte Schädel war zertrümmert, sein Auge zerquetscht. Alles war massiv geschwollen. Dieser Hund hätte mehr als einen Grund, um Menschen zu hassen. Ich würde es völlig verstehen, wenn er mit ganzem Körpereinsatz klar machen würde, dass er niemals mehr jemandem vertrauen würde. Aber LUKO vertraut. Bedingungslos. Er kannte uns gerade mal zwei Minuten, da gab er uns die Pfote, schmuste mit uns und war so froh, dass wir bei ihm waren.
Als wir im Nachbarkennel dann erfassten, hatte er sich bereits auf der Hütte zusammengerollt und schlief tief und fest, obwohl es heute ein sehr lauter und stressiger Tag für die Hunde war…Er ist ein besonderer Hund, der nicht im Tierheim versauert sollte. Er hat uns wirklich berührt heute.
Heute wurden Tanks ausgeleert, in denen sich die Hinterlassenschaften der Hunde ansammeln. Das alles macht unser Traktor mit dem Tankwagen, den wir vor einigen Jahren gekauft hatten…Immer wieder gut zu sehen, wenn die Dinge, die wir durch eure Spenden finanziert haben, täglich den Menschen hier vor Ort gute Dienste leisten.
Heute möchte ich euch auch eine sehr wichtige Sache mitteilen, an der wir mit Mishu schon einige Zeit im Gespräch sind. Die Anzahl der sehr scheuen Hunde erhöht sich auch von Jahr zu Jahr in Baile. Jahr für Jahr treffen wir diese und stellen fest, dass sie ihre Angst und Panik durch den Stress und die nicht vorhandene Ruhe steigert. An eine Vermittlung ist nicht zu denken, wenn die Hunde einmal im Jahr geimpft und entwurmt werden, müssen sie mit Fangstange fixiert werden, da sie sonst nicht zu hantieren sind. Teilweise gehen sie auch wirklich nach vorne, wenn sie bedrängt werden. Sie sitzen Tag für Tag, Stunde für Stunde in ihrer Hütte und bauen ab, geben auf, resignieren völlig. Viele von ihnen sind sehr jung, haben ihr Leben vor sich…Doch was ist das für ein Leben? Es ist keins. Wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass dies mit Lebensqualität nichts zu tun hat. Die Hunde werden niemals Gras unter ihren Füßen habe, nie was anderes sehen oder sich frei bewegen können…Ebenso werden wir sie niemals vermitteln können, denn alleine das Aus- und Einladen beim Transport ist nicht zu schaffen. Wie soll so ein Hund ein deutsches Hundeleben leben?! Die Anzahl dieser Hunde steigt über die Jahre an und viele Kennels haben keinen Platz mehr. Wir blockieren uns mit scheuen Hunde die Plätze in den Kennels, die für neue Hunde dringend gebraucht werden, die vielleicht nur kurzzeitig bei uns wären, weil wir sie zeitnah vermitteln können. Zusammengefasst haben also diese Hunde null Lebensqualität und schmählern die Chancen gleichzeitig für die Hunde, die gut vermittelbar wären…
Wir haben uns mit Mishu nun geeinigt, dass wir nicht weiter zuschauen können, wie dieses Problem immer größer wird und wir machtlos dabei zuschauen, wie die Lebensqualität all unserer Hunde schlechter wird über die Jahre. Am Donnerstag haben wir mit Mishu und dem Bürgermeister aus Baile in Gespräch und er wird uns 4 mögliche Bereiche zeigen, wo wir eine große grüne Fläche haben, auf der Hunde frei (großzügig umzäunt) leben können, ohne dass sie jemanden stören oder sie ständig von Menschen gestresst werden. Wir suchen einen Ort, wo wir unsere scheuen Hunde, die aber in der Regel alle sehr verträglich sind, umsiedeln können. Raus aus den Kennels, in eine Umgebung, die ruhig und reizarm ist. Wir würden dort zahlreiche Hütten aufstellen, täglich nach Futter / Wasser schauen und die Hunde hätten alle dort sehr viel mehr Platz und wären aus den engen Zwingern raus und könnten sich endlich frei bewegen. Uns ist klar, dass dies sehr romantisch klingt, aber auch hier müssen wir einfach realistisch vor Augen haben, dass es auch hier Konflikte zwischen den Hunden geben wird, die auch durchaus tödlich ausgehen können. Einmal am Tag schaut jemand nach ihnen, wenn sie sich aber genau dann prügeln, wenn niemand da ist, wird auch niemand helfend einschreiten….
Dies kann aber kein Grund sein, um diese Möglichkeit nicht ergreifen zu wollen. Denn auch in den Zwingern gibt es immer wieder tödliche Beißereien, vor zwei Tagen erst wurde Bentley die gesamte Rute abgerissen….
In Summe würde aber dieses Projekt den scheuen Hunden wesentlich mehr Lebensqualität bieten und wir hätten deutliche Entlastung in den Zwingern. Wir werden auch nochmal einmal durch das Shelter gehen und mal genau durchzählen, wie viele Panikhunde wir in Summe haben, für die diese Lebensweise in Frage kommen würde. Das passende Gelände muss natürlich entsprechend geeignet sein. Je unterschiedlicher es ist (Wald, Büsche, Steine, Hügel..) umso besser für die Gruppenstruktur. Der Bürgermeister ist dieser Idee gegenüber aufgeschlossen, weil auch er das Problem sieht, dass immer mehr Hunde im Shelter sind, die wir nicht vermitteln können und damit auch keine Hunde mehr von uns aus den Ortschaften aufgenommen werden können. Ein Freilassen der Hunde macht keinen Sinn, da hier direkt eine große Straße und eine Zugverbindung liegt, ebenso würden diese Hunde dann wieder Richtung City wandern, wo sich dann wieder diverse Menschen beschweren….Man muss immer wieder neu denken und sich ehrlich eingestehen, dass man nicht so weitermachen kann und sehend Auges in die Katastrophe läuft. Ich habe heute mit Mishu klar besprochen, dass die Zukunft nicht einfacher wird und wir keine goldenen Zeiten zu erwarten haben. Wir müssen neu denken und immer wieder prüfen, ob das, was man Jahre zuvor getan hat, auch so weitermachen sollte… Wir kommen hier in Baile an einen Punkt, wo man anfangen müsste, weitere Kennels zu bauen, da die Zahl der aufzunehmenden Hunde steigt. Wir haben aber keinen Platz und keine Infrastuktur, um weitere Zwinger und damit auch Hunde zu versorgen. Alle sind hier am Limit, das Gelände ist am Limit. Die Arbeiter werden auch nicht mehr und man muss leider auch hier täglich damit rechnen, dass einer mal wieder nicht zur Arbeit erscheint….Ich habe Mishu deutlich gesagt, dass wir keine neuen Kennels bauen werden. Das kann nicht die Lösung sein. Wir sind da sehr der selben Meinung und wir haben alle in den letzten Jahren einiges gelernt und erkannt, dass es andere Wege braucht…
Wir machen uns am Donnerstag auf diesen neuen Weg und werden dann schauen, ob ein Gelände passen könnte. Dann müssen wir weiterdenken und prüfen, was wie von uns allen geleistet werden kann…Wir hoffen sehr, dass ihr uns auch in dieser Angelegenheit vertraut und euch mit uns zusammen auf diesen Weg macht, der voller Hürden und Herausforderungen sein wird.
„An unmöglichen Dingen soll man selten verzweifeln, an schweren nie.“ (Goethe)
Bis morgen!
Anna