Ich bin wieder eine Woche vor Ort in Rumänien und nehme euch wieder mit auf eine Reise, die uns primär nach Campina führt. Wenn es die Zeit zulässt, werden wir auch in Bucov vorbeisehen. Zentral schaue ich wieder, wie unsere Hilfe ankommt, erfasse die Hunde für die Galerie und bespreche mit den Kollegen vor Ort all die Dinge, die man auf Distanz nicht so einfach abklären kann. Die Arbeit vor Ort ist ein wichtiges Standbein unseres Vereins und dies funktioniert nur, wenn man die Gegebenheiten, die Umstände und die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, kennt.
Zusammen mit Florian bin ich Sonntag sehr früh aufgebrochen. Über Österreich und Ungarn ging es Richtung Osten. Für uns ist die Fahrt nach Baile mittlerweile festes Programm – wir würden dort nicht mehr hinfliegen – aber eine Autotour nach Ploiesti war neu für uns. Natürlich haben wir im Vorfeld geplant und geschaut, wie ist die Route, wo müssen wir lang, wie viele km sind es….aber wir sind doch durchaus sehr naiv an die ganze Sache rangegangen, da wir im Glauben waren, dass wir einfach der Autobahn weiter ins Land folgen und maximal 2 Stunden länger als nach Baile brauchten. Die Route führte über Timisoara, nach Sibiu, dann Richtung Brasov südlich durch das Bucegi Gebirge, eine wunderschöne Gegend, die dann über Campina nach Ploiesti führt, wo unser Hotel ist. Wir beiden würden uns als geübte Autofahrer bezeichnet, auch Langstrecken sind wir zur Genüge gewöhnt, aber die Tour steckt uns heute noch in den Knochen. Die Straßen waren natürlich voller, der Urlaubsreiseverkehr war deutlich zu spüren, so kam es immer wieder zu kleinen Staus und Verzögerungen. Das summiert sich auf einer Strecke von 2000km natürlich auf. Aber das dicke Ende kam dann noch ab Mitternacht. Es gibt sehr wenige Autobahnen in Rumänien und wir konnten nur ein Teilstücke damit füllen. Der dicke große Rest waren Landstraßen, die es hier wirklich in sich haben. Gerade als es hoch ins Gebirge ging auf über 1000 Meter, schlängelte man sich über schmale Serpentinen in die Höhe, einspurig, starker Gegenverkehr, kaum Fahrbahnmarkierung, Abhang links und rechts. Unbekannte Strecke, richtig dunkel….Hinter einem drängeln die Fernfahrer und überholen in den abgefahrensten Situationen, wo man am liebsten die Augen zu machen würde, damit man nicht sehen muss, wie sich einer um den Baum wickelt. Wir waren sehr sehr sehr sehr froh, als wir endlich auf den Parkplatz des Hotels einbiegen konnten, um 5 Uhr morgens rumänischer Zeit. Ich war knapp 24 Stunden früher in Duisburg gestartet….
Klar könnte man auch fliegen, aber ich wollte unbedingt mal die Strecke fahren, die unsere Fahrer alle 14 Tage mit bis zu 40 Hunden im Auto stemmen. Ich wollte noch mehr vom dem Land sehen, was mich so bewegt. Nur wenn man diese Tour wirklich mal gemacht hat, kann man so viel mehr einfach nachvollziehen und verstehen. Wir sind auch in Cormanic vorbeigefahren, auch noch am Rand des Bucegi Gebirges, ein kleiner Ort, nicht viel los. Aber dort machen wir zum Beispiel ja häufig unsere Besitzerhund Kastrationsaktionen…. Gerade wenn man dies nun mal selber erlebt, versteht man, wie wichtig diese Aktionen sind, denn so viele Leute haben nicht die Möglichkeit, mal eben zum Tierarzt zu kommen.
Nach einer kurzen Nacht sind wir heute morgen Richtung Campina gestartet, es war heute unfassbar schwül und immer wieder zogen kleine Gewitter durch. Im Shelter angekommen, konnte man noch die Spuren von den hefigen Überflutungen sehen. Zum Glück wurde gestern durch die Stadt neuer Kies geliefert, der auch gut verteilt wurde. Das hat schon mal deutliche Abhilfe verschaffen. Zusammen mit der Tierhilfe Lebenswert unterhalten wir dieses Shelter zusammen mit Tierschützerin Mihaela. Campina ist ein städtisches Shelter und Mihaela hat die Verantwortung von der Stadt übertragen bekommen.
Im Mai 2017 hatte Mihaela erstmals Kontakt aufgenommen, als sie von der Tötung dort hörte – denn das Shelter, war in seiner Vergangenheit eine Tötung gewesen, in der viele Hunde in widrigsten Bedingungen leben mussten und nach einer gewissen Zeit umgebracht wurden. Ein grausamer Ort. Immer wieder haben wir Hunde aus Campina nach Bucov geholt – auch diese Fahrten habe ich erlebt und es war ein merkwürdiges Gefühl, dass Bucov mit seinen mehr als 3500 Hunden damals den rettenden Hafen darstellte. Mein erster Besuch in Campina hat mich lange noch später verfolgt, die Kälte, die Trostlosigkeit und die verlorenen Chancen für die Hunde dort. Ihr findet hierzu noch einen alten Facebook Bericht:
https://www.facebook.com/groups/ProDogRomania/posts/1566154796729478
Ein Jahr lang verhandelte Mihaela immer wieder mit den Behörden von Campina, bis man ihr endlich die Verantwortung mit allen Pflichten übertrug. Es war wirklich ein großer Sieg und es gelang uns zusammen mit der Tierhilfe Lebenswert (THL), eine Tötung in ein Shelter zu wandeln, das ein sicherer Ort für unsere Hunde werden konnte. Unsere beiden Vereine teilen sich die Aufgaben untereinander auf. Sorgt THL sich beispielsweise um die Finanzierung und Durchführung der Kastrationen der Tierheimhunde, finanzieren wir (PDR) das gesamte Futter für alle Campina Bewohner. Zusammen mit dem THL Vorstand sind wir im engen Austausch, beraten und unterstützen uns. Es sollte viel mehr solcher Kooperationen geben, denn die Arbeit kann sehr fruchtbar und gewinnbringend für alle sein. Nur zusammen haben wir Campina in den Ort wandeln können, der er nun ist. Und darauf kann man wirklich stolz sein!
Nach kurzer Begrüßung mit dem Campina Team gab es leider schon den nächsten Schocker. Florian wurde schmerzhaft vor Augen geführt, was aus einer kleinen Unachtsamkeit werden kann, wenn man Kontakt zu so vielen unbekannten Hunden hat. Die Hand am Zaun gelassen, kurz abgelenkt, schon war der Biss da. Wir waren noch nicht mal direkt bei den Hunden, bei der Erfassung, wir waren eigentlich noch ganz am Anfang, am ersten Tag…und schon ging nichts mehr. Es blutete direkt sehr stark und es war nicht schwer zu erkennen, dass das direkt genäht werden musste. Den Zeigefinger an der rechten Hand hatte es deutlich getroffen. Catalina, unsere Tierärztin, machte sich zusammen mit Florian direkt auf den Weg ins Krankenhaus – was in Rumänien durchaus auch eine spannende Sachen werden kann. Rustikal, aber herzlich war die Behandlung, der Biss wurde gut gespült und vernäht, Antibiotika gab es natürlich auch. Gerade bei Tierbissen aller Art ist höchste Alarmstufe angesagt, wenn es darum geht, dass sich die Wunde infizieren kann. Dadurch, dass der Biss sehr stark geblutet hat (…wir haben vorhin noch das Auto reinigen müssen…dort war die Notfalltasche…), ist das Risiko sicherlich minimiert, dass sich da nun anaerobe Keime breit machen, aber Catalina wird die Wunde nun jeden Tag neu verbinden und sehr genau im Auge haben. Das Gute bei unseren Reisen ist ja immer, dass wir medizinisches Fachpersonal in jedem Shelter an unserer Seite haben… 🙂 Die Ärztin in der Notaufnahme machte einen super Job, alles klappt gut und schnell, wir hatten anderes erwartet.
Während Catalina und Florian im Krankenhaus waren, erfasste ich weiter die ersten Hunde, die frei um mich herumsprangen. Die ersten zwei Tage im Shelter sind immer noch sehr aufregend für die Hunde, denn sie wissen genau, dass wir nicht zum Team gehören und damit erstmal Fremde sind, die man eben dann auch entsprechend begrüßt. Man muss sich also gerade in den freien Gruppen, die durchaus auch mal aus 15 oder mehr Hunden bestehen können, entsprechend bewegen, damit man nicht direkt festgenagelt wird…. Zusammen mit Nicoletta erfasste ich die ersten Hunde, die im Haus im Campina untergebracht sind. Nicoletta ist jeden Tag dort und die Hundemama…. Alle Hunde lieben sie, sie kennt jeden Hund und man merkt ihr total an, dass es für sie nicht nur ein Job ist. Sie ist mit dem Herzen dabei und war so glücklich, dass sie endlich jemandem ihre Schätze vorstellen konnte.
Als Florian wieder aus dem Krankenhaus da war, machten wir zusammen mit Nicoletta eine kleine Tour durch Campina. Sie zeigte uns die Außengehege und stellte uns die Hunde vor, die ihr besonders am Herzen liegen. Wir waren sehr angetan von der Sauberkeit vor Ort, alle Zwinger werden täglich sauber gemacht, überall stehen kleine Besen und Eimer. Alle Hunde sehen soweit gut aus, medizinische Notfälle sind im Haus untergebracht, damit auch Catalina sie einfacher behandeln kann. Leider ist uns aufgefallen, dass wir recht viele sehr unsichere Hunde haben, viele kennen wir schon aus 2019. Wir werden nun ab morgen systematisch Kennel für Kennel durchgehen, alle Hunde nochmal betrachten, ggf. neu erfassen und ihren Chip überprüfen. Morgen sollten wir auch wieder in alter Frische am Start sein – es geht heute definitiv früh ins Bett.
Heute Mittag saß ich für 30 min unter einem kleinen Sonnenschirm, unter dem die Wespen emsig ein Nest bauten, weil die Hitze einfach zu stark war und ich das Gefühl hatte, dass ich gar nicht so viel trinken kann, wie mein Körper gerade benötigt. 5 Hunde lagen zu meinem Füßen und aus den Kennels hörte man ggf. mal ein kurzes Gebell, wenn man sich über den Hundekollegen beschwerte, der einem zu sehr auf die Pelle rückte. Die Libellen flogen tief über die Pfützen und die Schwalben brachten eifrig Futter für den Nachwuchs ran. 4 Jahre liegen zwischen dem Besuch 2017 und dem heutigen. Viel ist passiert, vor allem ganz viel Gutes. Auch hier konnten wir gemeinsam mit THL einen Hafen schaffen….einen sicheren Ort, ein Sprungbrett, manchmal sogar auch ein Zuhause, wenn die Hunde aus versch. Gründen nicht mehr vermittelt werden können. Manchmal kommen jetzt sogar mediz. Notfälle aus Bucov hier her, weil es hier ein wenig ruhiger zugeht und es hier noch ein wenig mehr Platz gibt, damit sich ein Hund erholen und wieder gesund werden kann. Dieses Gefühl berührt mich heute sehr und es macht mir wieder deutlich, wie viel wir zusammen schaffen, wenn jeder eine kleine Aufgabe übernimmt und sich verantwortlich zeigt. Wie viel man auch hier vor Ort verändern kann und dem Partner hier vor Ort zur Seite steht und mit ihm auch den steinigen Weg zu Ende geht.
Anbei noch einige Fotos von heute, ich versuche gleich noch dem Galerie Team einige neue Fotos / neue Hunde zu übersenden und bin auch hier wieder sehr dankbar, dass im Hintergrund viele fleißige Menschen sitzen, die auch ihren Teil dazu beitragen, dass das hier alles so laufen kann.
Es grüßt eine sehr sehr müde Anna aus einem sehr heißen Ploiesti. Ich freue mich gleich auf meine erste rumänische Pepene dieses Jahr – hier in Rumänien sind die Melonen im Sommer einfach unschlagbar.