Eine Woche sind wir wieder in Bucov vor Ort, schauen uns an, was bisher wieder passiert ist, welche neuen Hunde in die Vermittlung aufgenommen werden können und welche wichtigen Aufgaben vor dem Winter angegangen werden müssen. Wir nehmen euch wieder mit auf unsere Reise und stellen hier immer einen Tagesbericht ein, der helfen soll, die Gesamtstituation in Bucov besser zu verstehen.

Letzter ganzer Tag für Katja und mich in Bucov, Heute stand ja das weitere Erfassen der Hunde auf dem Plan, was wir auch wirklich bis heute Abend spät durchgezogen haben. Aber dennoch haben wir nicht alle Kennel besucht, ein blödes Gefühl, aber mehr als Vollgas geht eben nicht. 

Tolle Begegnung! Liesel!

Wieder haben wir so viele tolle Hunde getroffen und man ist wirklich in tiefer Demut, wie freundlich man begrüßt wird von vielen, obwohl es völlig verständlich wäre, wenn sie das Vertrauen in den Menschen verloren hätten…

Wir standen gerade mitten im Hundegetümmel, als wir plötzlich durch markerschütternde Schreie unterbrochen wurden…Es ist nicht leicht, die verschiedenen „Stimmlagen“ der Hunde einzuordnen. Teilweise ist es harmloses, gelanweiltes Dauergebelle, teilweise ist es scharfer Alarm und teilweise sind es Schreie, wo man dann aber direkt den Notfall Modus anschaltet, alles hinwirft und Gas gibt, um retten, was zu retten ist…

Solche Schreie waren das…
Wir hatten schnell gemerkt, wo das Getümmel besonders groß war und erkannten drei Kennels schräg gegenüber weiter, dass ein weißer Hund auf einer Hundehütte sass, aber immer wieder an den Zaun gepresst wurde…Andere Hunde sprangen auf die Hundehütte und zerrten frontal an ihm, aber ich konnte mir nicht erklären, warum er nicht dort einfach dort wegging. Ich warf Katja quasi die Kamera zu, bat sie, die Tür zuzumachen hinter mir und rannte Richtung des entsprechenden Kennels. Und dann sah ich es:

Zwei kräftige Hunde, die zusammen in einem Kennel sassen, hatten sich in der Rute des weißen Hundes auf dem Hüttendach verbissen und ließen nicht los, im Gegenteil: Sie rissen und rissen und waren völlig im Rausch. Katja versuchte von der Gegenseite die anderen Hunde abzuwehren und ich überlegt mir unter Adrenalin, was ich jetzt wie mache, damit der Hund nicht seine Rute verliert und nicht frontal Opfer der anderen wird. Ich konnte nicht einfach in den Kennel der beiden Angreifer reinrennen, da war bekannt war, dass sie mit Vorsicht zu genießen sind und ich bin sehr bemüht, gesund aus dem Shelter zu gehen mit zwei ganzen Armen und zwei ganzen Beinen. Niemand war weit und breit zu sehen, die beiden rissen und rissen, der weiße Hund schrie wie am Spieß, alle umliegenden Hunde bellten aufgeregt bis hysterisch, ich war fertig mit den Nerven und sah nur eine Option: Ich musste die beiden attackierenden Hunde so erschrecken, dass sie mit einem Mal die Rute losließen. Es würde nicht bringen, wenn nur einer loslassen würde und dann die Frontalattacke auf mich starten würden. Ich fand einen sehr sehr großen Stein, machte die Zwingertür auf und warf den Stein genau auf die Hundehütte, hinter der die beiden Hunde standen mit der Rute im Maul, Katja hatte parallel in der Zeit die anderen Angreifer erfolgreich zurückdrängen können. Mein Steinwurf war semi erfolgreich, ein Hund ließ von der Rute ab, schoß aber – wie erwartet – direkt frontal auf mich zu. Ich sprang rückwärts aus dem Kennel, knallte gerade noch die Zwingertür zu und blieb eine Sekunde einfach stehen. Erstaunlicherweise hat der andere Angreifer mittlerweile auch von der Rute abgelassen, der weiße Hund schoß quer durch den Zwinger und rettete sich in eine Hütte. Alle anderen Hunde aus seinem Zwinger schoßen hinterher, aber er schaffte es rechtzeitig. Katja und ich weinten beide gleichzeitig. Vor Erleichterung, vor Entsetzen, vor Machtlosigkeit. Wir hockten einfach jeder für sich still im Kennel und sagten gar nichts mehr. Catalina eilte auch zu uns und sah direkt den blutenden Schwanz. Der weiße Hund war völlig am Ende, aber der Schwanz schien noch intakt zu sein, er wurde in einen anderen Zwinger gebracht, Catalina versorgte die Wunde und wir ließen ihn einfach in Ruhe…

Das Opfer wurde in einen anderen Kennel gesetzt zu kleineren Hunden. Der nette Rüde war aber mit der Welt völlig am Ende…

 

Ich war wirklich mal wieder ein Stück fassungslos, wie Hunde auch sein können. Natürlich haben sie hier Stress und es ist für einige einfach zu eng…Aber wenn der Schalter wirklich mal umkippt, haben wir Menschen sehr wenig Chancen, außer man geht das Risiko ein, dass man stark selber verletzt wird. Und für mich ist es immer wichtig, dass bei so einer Reise alle wieder gesund nach Hause reisen. Mir wurde aber auch klar, wie schnell man wirklich in eine brenzlige Situation kommen kann und wie schnell man dann entscheiden muss, was jetzt Sinn macht. Wäre jemand auf die Idee gekommen und hätte versucht, die beiden Angreifer körperlich abzuwehren, hätten wir sicherlich nun jemanden, der schwer verletzt im Krankenhaus liegen würde…Daher sage ich immer allen, die hier mit dabei sind: Gehe in den Zwinger rein, wo du dich gut und entspannt fühlst. Wenn du am Zaun schon merkst, dass dir da der ein oder andere Hund nicht ganz koscher erscheint, dann bleibe bitte draußen. Hunde erkennen sofort, wenn jemand unsicher am Zaun steht und dann kann der ein oder andere schon mal auf blöde Gedanken kommen…Und: Gruppendynamik. Immer wieder beobachtet man das, wenn Hunde Stress haben, einer in die Ecke gedrängt wird: Die Hunde formieren sich wirklich zusammen und dreschen völlig ungehalten auf das Opfer ein. Egal, ob sie vorher friedlich zusammen gehockt haben. Es kann so schnell kippen…Gerade wenn Ressourcen im Spiel sind. 

Nachdem Katja und ich den Stress verdaut hatten, machten wir mit dem Erfassen weiter…aber der Schock wirkte noch ganz gut. 

Als wir in Zwinger Nummer 87 standen, und alles aktuell ziemlich ruhig schien – es war auch wieder fantastisch heiß heute und auch die Hunde machen dann Siesta – fiel Katja im Nachbarkennel ein Hund auf, und sie fragte, ob es normal ist, dass da einer so entspannt in der Ecke auf der Seite liegt. Entspannt auf der Seite liegen? Bucov? Nein – sehr untypisch, Hunde liegen entspannt auf der Seite, wenn sie sich sehr sicher fühlen und wirklich abschalten. Das macht hier keiner in Bucov, der nicht völlig entkräftet und fertig ist. Katja und ich packten also zügig wieder unsere Sachen ein, gingen zu Kennel Nummer 84 und schauten uns den Hund, der sich als Hündin entpuppte, genauer an. Atmung flach, Lefzen blaß, Hals total nass und rot… Die Hündin schien im Schockzustand zu sein, sie war nicht ansprechbar und zeigte keine Reaktion auf unsere vorsichtigen Berührungen. Mir war klar: Wieder jemand, der gebissen und attackiert wurde und durch den Zwinger geschleift worden war. Furchtbar…sie war so zart und lag dort im Staub und in den Kieselsteinen. Aber mir fielen die vielen Fliegen an ihrem Bauch auf und als ich sie verscheucht hatte, sah ich: Ihre Kastrationsnaht schien offen zu sein und …. im Bauchraum befanden sich Maden. So etwas hatte ich auch noch nicht live erlebt und mir wurde anders. Ich schickte Katja loß, damit sie schnell Irina holte, denn ich wusste ehrlich gesagt nicht, wie ich diese Hündin transportieren sollte. Hals voller Blut, offene Wunde, Bauchraum voller Maden, sie im Schockzustand. So etwas hat man irgendwie nicht oft. Und ich war überfordert. Irina kam sofort, schaut sich das Elend an und war auch sichtlich getroffen. Sie nahm sie vorsichtig hoch und die Hündin ließ alles mit sich geschehen. Als wir am Vetgebäude ankamen, wurde die Hündin sofort an den Tropf gehängt, sie bekam Schmerzmittel, Irina entfernte die Maden, desinfizierte, spülte, reinigte und spritze noch einige andere Dinge…Katja und ich waren beeindruckt, wie routiniert und sicher Irina mit dieser Situation umging, wie sie die Hündin anfasste und ihr gut zusprach. Irina hat leider keine großen Hoffnungen, denn ihre Erfahrung ist, wenn Hunde in diesem komatösen Schockzustand sind, sind sie nur schwierig wieder ins Leben zu holen.  Wir fragen morgen nach ihr…:(

Erste Hilfe im Flur…

 

Katja und ich gingen völlig fertig und entkräftet zurück in die Kennels. All die positiven Dinge der letzten Tage verschwanden irgendwie in diesem Moment. Katja hatte an diesem Tag die volle Breitseite Bucov abgekriegt und es tat mir leid, dass ich ihr da nix erklären oder verständlicher machen konnte. Es war so, es ist so, es passiert so viel. Wir sind in vielen Dingen einfach machtlos. Es wird immer Beißereien geben und es gibt immer Sieger und Verlierer. Man kann nicht immer direkt alle schwachen Hunde selektieren. Oftmals ändern sich die Rollen der Hunde schnell, man blickt es nicht immer und man kann nicht immer präventiv handeln. Das funktioniert dort nicht.

Die Sonne knallte immer noch, die Arbeiter waren bis auf den Pförtner schon gegangen, nur die zwei Männer für die Wasserverteilung liefen übers Gelände. Es kehrte wieder Ruhe ein. 

Wir machten eine Pause, saßen zwischen den kleinen Welpen und den Sorgenkinder von Irina. Mir wurde so eindeutig klar, was wir da für einen wunderbaren  Menschen in Bucov stehe haben…Irina steht jeden jeden Tag in Bucov, sie kennt alle Hunde, sie kennt ihre Schätze,  ihre Sorgenkinder und ihre großen Jungs. Sie spricht ruhig und freundlich mit allen Hunden, schiebt ihnen Nassfutter und Leckerchen zu, schneidet zu lange Krallen und vergilbtes Fell weg. Sie macht Bucov so viel besser und so erträglicher. Katja und ich sprachen beim Abendessen nochmal darüber, wie das heute gewesen wäre mit der kleinen Hündin ohne Irina…Wir wären völlig hilflos gewesen… 🙁 Durch diese kleinen täglichen Gesten hilft Irina nicht nur den Hunden, Bucov besser zu ertragen, sondern auch uns, die wir nach einer Woche nervlich schon angespannt und einfach fertig sind. Wenn ich Irina kommen sehe, denke ich immer: Gott sei Dank, sie ist da… Tierärztin Catalina musste aus gesundheitlichen Gründen ein wenig kürzer treten und Irina hilft ihr, wo sie kann. Mittlerweile betreut Irina die kompletten vetkennels alleine. Sie kennt jeden Hund dort, weiß seine Geschichte und begleitet sie oftmals durch tiefe schwarze Täler… 

Der kleine Dackelrüde wurde auch ständig durch die Gegend gekickt von anderen Hunden. Irina hat ihn in einer kleinen Gitterbox notfallmäßig untergebracht…

Tja, nun sitzen wir hier. Der letzte volle Tag war sehr erfolgreich was das Erfassen angeht, aber Bucov hat uns heute knallhart und brutal getroffen. Vielleicht wirkt es nur stärker, weil wir müder sind, weil unsere Nerven dünner sind. Aber wir haben heute wieder gespürt, dass egal wie gut die Kennels sind, wie viel Wasser und Futter es gibt…die dicken Tiefpunkte und Zwischenfälle wird es immer geben. Bei so vielen Hunden kann es immer wieder zu solchen Vorfällen kommen und wir werden uns noch öfters machtlos und verzweifelt fühlen. Aber umso mehr bemüht man sich, dass so ein kleines Dackelchen wie oben in dem Bild in ein sicheres Zuhause reisen kann, oder die Hundeomma ohne Zähne entspannt ihre letzten Monate genießen kann. 

Morgen früh sind wir nochmal einige Stunde dort, und der Abschied wird furchtbar werden. Wie immer. Wenn man wieder in die andere Welt fährt. In der man sich Gedanken macht, ob man vielleicht doch besser in den Wald fährt mit den Hunden, und nicht wieder an den Rhein, wo man gestern schon war. Oder man besorgt ist, weil der Hund 4 Stunden später das Futter bekommt als sonst. Oder man sich Gedanken darüber macht, ob man mal wieder den Gehsteig vorm Haus fegen müsste….Jaja…Bucov hat eine andere Problemdimension. Aber wie schön ist es dann, wenn man seine Hunde wieder um sich hat, die abends neben einem auf dem Sofa liegen und nach Vanille duften… 🙂

Danke, dass ihr uns wieder begleitet habt, dass ihr uns so viel Kraft geschickt und Anteil genommen habt. Das hilft hier enorm. Und wenn wir den Notfallruf getätigt haben, weil wir noch eine Notfall Socke hier entdeckt haben, habt ihr alles in Bewegung gesetzt, damit wir eine Lösung finden! 

Danke an Katja, die hier wirklich eine extreme Woche erlebt  und für ihre erste Shelter Rumänien Reise die volle Breitseite abbekommen hat. Du hast dich großartig geschlagen und wir haben zusammen echt viel geschafft. Ich habe wirklich gemerkt, wie dich der ganze Kram hier immer mehr emotional gepackt hat und du nun irgendwie schon mittendrin bist im Rumi-Shelter Virus….Ich hoffe, dass wir eines Tages nochmal zusammen die Köfferchen packen und Liste für Liste füllen werden. 

Wir geben nun Vollgas von Deutschland aus, damit so viele Hunde wie möglich zeitnah in die Galerie einziehen können… Wer gerne auch mal uns begleiten möchte, kann das gerne tun. Gerne könnt ihr uns einfach eine Email schreiben an info@prodogromania.de

Bis bald,
eure Anna 

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