Kurz vor der Phase, in der es richtig kalt und eisig wird in Rumänien, haben wir uns nochmal für eine kurz Tour nach Bucov aufgemacht, um gezielt nach Notfällen und zarten Hunden zu schauen, die es sonst nicht schaffen würden. Aniela und Mihaela sind aktuell völlig überlastet und die Anzahl an Welpen ist erschlagend, obwohl wir uns schon mitten im Winter befinden. Die beiden kommen mit dem Erfassen nicht hinterher, so dass wir unsere Hilfe angeboten haben, für eine Woche zu kommen.
Heute morgen früh hatten wir mit Aniela besprochen, dass wir ENZO aus Kennel 115 dort rausholen und auch ihn in den Vetkennel setzen, weil er echt schlecht aussah (Hautprobleme) und nicht ans Futter kam. Aniela musste bereits heute schon wieder mehrfach dort dazwischen gehen, weil ein kleiner Rüde immer und immer wieder dort unter Druck gesetzt wurde. Also überlegten wir, dass wir beide zusammen dort rausnehmen und in einen freien Vetkennel umsiedeln. Hundekarre geschnappt und los gings. Normalerweise ist das kein Akt, der unfassbar durchdacht sein muss, aber in Kennel 115 sind schon des öfteren schwere Kämpfe ausgetragen worden, und es gibt leider dort einige Rüden, die nicht zu unterschätzen sind, für die es aber eben auch keine andere Möglichkeit gibt an Unterbringung. ENZO war sehr freundlich, ihn konnte Florian tragen, aber auch das reichte schon aus, damit der Kennel kochte. Zwei Rüden versuchten, ENZO auf dem Arm direkt anzugreifen. Mitarbeiter Marian, Aniela, Tierärztin Anna und ich versuchten die Gruppe ein wenig in Schach zu halten, damit ENZO unbeschadet dort herauskam und in den Hundewagen gesetzt werden konnte. Als das geschafft war, stand uns der weitaus schwierigere Teil bevor. Der kleine Rüde ist super scheu, er ließ sich weder tragen noch anfassen. Es war klar, hier half leider nur die Fangstange, da wir nicht Ewigkeiten Zeit hatten, denn die anderen Rüden merkten sofort, was wir vorhatten und warteten nur darauf, dass ihr Opfer endlich aus der Hütte hervorkam. Der kleine Rüde schoss natürlich panisch in alle Richtungen, quer durch die Matsche, denn das ist seine einzige Lösung für diese Situation. Natürlich will er sich nicht einfangen lassen, natürlich auch nicht mit der Hand oder mit Leckerchen oder oder. Er hatte Angst um sein Leben, aber wir mussten da jetzt durch. Es galt also, diesen Paniker zu blockieren, damit die Fangstange ihn fixieren kann und wir ihn so in den Hundewagen setzen konnte. Ebenso stand aber das „kleine“ Problem im Raum, dass wir dort zwei Rüden an die 40kg hatten, die diesen Paniker gerne eliminieren wollten, koste es, was es wolle. Hier merkt man wieder, wie verzweifelt hier alle sein müssen. aber auch wie sehr hier nicht mehr mit Wasserflasche oder ablenken oder oder hantiert werden kann. Hier geht nur klare Körpersprache, Besen, Schippe, Abwehr. Wir haben wirklich alles gegeben, aber eine Attacke auf den kleinen Mann konnten wir nicht verhindern. Nach einiger Zeit war er dann endlich fixiert, und sass bei ENZO mit im Wagen. Solche Situationen sind brutal, gefährlich und kraftraubend. Aber hätten wir heute nicht gehandelt, wäre der zarte Kerl morgen tot in der Matsche gefunden worden, das war uns allen klar. Klar war das keine schöne Situation für ihn, aber es ging hier ums blanke Überleben und da muss man nicht mehr groß überlegen, ob das jetzt nachwirkend Folgen für ihn haben wird. Sonst wäre er morgen tot. Wenn man solche Situationen noch nie gesehen und erlebt hat, wird man schockiert sein, was Hunde alles so drauf haben und mit welcher Vehemenz sie vorgehen können. Mir wird hier immer klar: Sie sind unsere über alles geliebten Begleiter, sind treu bis an das Ende, aber es bleibt immer ein Restprozentsatz, der nicht unbedingt kalkulierbar ist. Gerade, wenn es kein 5kg Hund ist…
Nach der Aktion waren wir alle echt erst mal bedient…ENZO und sein kleiner Freund wurden von uns mit Körbchen, Nassfutter und Wasser versorgt und dann war es gerade mal halb 10 und wir hatten das Gefühl, dass es schon 15 Uhr sein muss…. Später schaute ich bei beiden nochmal rein, da lagen sie sehr friedlich in ihren Körbchen und schliefen…
Nach der Aktion wollten wir gerne mit unserem Tagesprogramm beginnen, als Vet Popescu mit dem Hundetransporter auf den Hof fuhr mit jede Menge Sachspenden an Bord…Ein komisches Gefühl, dass wir ihn erst vor so kurzer Zeit nach Deutschland verabschiedet hatten und er jetzt schon wieder hier war…liegt aber auch einfach daran, dass hier in Bucov die Zeit verfliegt…Wenn man hier vor Ort ist und jeden Tag versucht, das Beste zu machen, freut man sich unfassbar, wenn es endlich wieder Nassfutter und Flocken gibt, das Lachsöl unter das Welpenfutter gemengt werden kann und es neue Decken für den Vetkennel gibt…Großartig!! Danke für diese tolle Hilfe von euch!! Danke an Andra, die fast jede Woche alles organisiert und packt…So viele Sachspenden konnte nun schon hier landen und es hilft so sehr!
Eine kurze Zeit habe ich heute bei den Vetkennel Hunden verbracht. Sie konnten in den letzten Tagen ein wenig geleert werden, weil es freie Plätze in den Außenkennels gab. Die Situation zum Hof raus ist also ein wenig „entspannter“ und wir hatten ja heute sogar einen freien Kennel für ENZO und Freund…
Danach ging es weiter mit der Tagesplanung. Wir wollten einige Hunde suchen und haben dann in jedem Kennel nochmal nach Notfällen und schwachen Hunden geschaut…und wir sind heute echt rumgekommen…Es war nahezu Kennel Hopping…Und meine Erfassungsböden sind seitenweise gefüllt mit neuen Gesichtern, neuen Infos, neuen Fotos zu bereits erfassten Hunden…… ich habe so viele Bilder in meinem Kopf, so viele Augenpaare, bunte Gesichter, Ohrmarkennummern….viel passt nicht mehr rein auf meine Festplatte. Der Tag heute war super intensiv, super lang, irgendwie auch extrem laut.
Zwischendurch – also quasi im Vorbeigehen :-)) – haben wir noch diverse Hütten verteilt. Da unsere Rücken und Knochen eh im Eimer sind nach der Woche, haben wir es uns dann heute nochmal richtig gegeben. Wir spüren jetzt eigentlich gar nichts mehr. Aber Hauptsache die Hundis haben einen Ort zum Schlafen, gerade bei der Nacht, die ihnen nun bevorstehen wird…Aniela war heute schon super nervös, sie verbringt die Nacht im Sancutary. Dort hatte es letztes Jahr in der Neujahrsnacht einige tödliche Beißereien gegeben. Auch in Bucov drehen die Hunde bei jedem Böller (die hier gefühlt nochmal richtig viele lauter als in Deutschland sind….) so richtig auf und der Stresspegel steigt direkt massiv an. Ich habe wirklich Angst, und hoffe so sehr, dass sie alle gut durch die Nacht kommen. Heute sind wir im Stockdunklen zum Auto gegangen, es ist eine ganz gruselige Stimmung dann dort… Angespannt, kalt, einsam, Und wie lang sind die Nächte dort…so viele Stunden ohne Licht, ohne eine Interaktion von außen. Ohne Hilfe. Völlig auf sich alleine gestellt… Und dann erst recht diese Nacht, die ihnen heute nun bevorsteht. Das Shelter liegt ein wenig außerhalb. Ich hoffe so sehr, dass sie nicht so ganz im Auge der Knallerei stecken und es ein wenig gedämpfter ist als hier in der Stadt. Ich hoffe, dass keiner die Nerven verliert und seine Panik an einem Schwächeren auslässt. Dass sie einfach durchhalten und die Sonne bald aufgeht. Aber ich weiß, dass diese Nacht die längste Nacht sein wird. Und das macht es zu einem Silvester, was ich nicht positiv verbinden werde. Es ist gut, dass wir hier sind. Vielen können wir vielleicht so helfen, die es ohne uns sonst nicht packen würden. Aber der Zeitpunkt ist nichts für schwache Nerven. Im Shelter tut sich zwischen den Jahren nichts, man weiß gar nicht, wo man zuerst anfangen soll. Die Witterung. Der Matsch. Die Kälte. Die Hauthunde. Die vielen Welpen. Die Knallerei. Die kurzen Tage. Die langen Nächte. Selten habe ich Bucov so trist erlebt. Selten habe ich aber auch das Gefühl gehabt, jetzt gerade hier so sehr gebraucht zu werden. Wenn ich es mir einrichten kann, werde ich es immer wieder versuchen, genau zu dieser Zeit hier zu sein. Maximale Herausforderung. Aber es geht. Vor allem würde ich Zuhause kribbelig werden, wenn ich mir die Zeit zwischen den Jahren irgendwie mit Nichtigkeiten vollpacke und hier alle völlig überfordert sind und nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht. Auch der Bautrupp wird vor seinem geplanten Einsatz schon wieder in Bucov sein. Durch unsere Schilderung der Lage vor Ort wird ein Team im Februar schon vor Ort sein. Wir haben heute einige Grundrisse ausgemessen und diese schon durchgegeben, damit die Materialplanung gestartet werden kann. Danke an alle Fleißigen, die wieder dabei sein werden. Ich bin euch unendlich dankbar!!
Wir sind in Gedanken nun bei unseren Rumis, die nun durch die längste Nacht müssen. Morgen sind wir vormittags nochmal in Bucov, werden noch einige offene Dinge abklären und dann Richtung Flughafen zurück nach Deutschland aufbrechen. Das Herz ist wieder so schwer…
Danke für euer großes Interesse, eure Anfragen, eure Hilfestellung, eure Empathie. Wir brauchen euch alle so sehr, damit wir stetig weitergehen und immer wieder für unsere Rumis da sein können.
Kommt gut rüber in das Jahr 2019 und passt auf eure Tiere auf!
Anna