Kurz vor der Phase, in der es richtig kalt und eisig wird in Rumänien, haben wir uns nochmal für eine kurz Tour nach Bucov aufgemacht, um gezielt nach Notfällen und zarten Hunden zu schauen, die es sonst nicht schaffen würden. Aniela und Mihaela sind aktuell völlig überlastet und die Anzahl an Welpen ist erschlagend, obwohl wir uns schon mitten im Winter befinden. Die beiden kommen mit dem Erfassen nicht hinterher, so dass wir unsere Hilfe angeboten haben, für eine Woche zu kommen.
Da wir nur mit einem sehr kleinen Team hier sind und es sowieso nicht schaffen werden, in jedem Kennel alle Hunde zu Erfassen, müssen wir Prioritäten setzen. Wo sind Hunde, die es nicht schaffen werden? Welche Kennels sind besonders matschig und wenig wetterfest? So sind wir heute morgen direkt mit einer Kennel Reihe gestartet, wo immer viele Welpen und kleine Hunde sind, Dort waren wir auch schon im Oktober und wir waren wirklich sehr erschrocken, wie schlecht die Hunde aussahen und wie sehr sie abgebaut hatten. Gerade nach dem Zahnwechsel fangen bei vielen Hunden die Hautprobleme an, weil dann das Immunsystem wirklich angeknackst ist. Sie sind alle in Behandlung, aber vor Ort bei 2000 Hunde kann niemand anfangen, einzelne Hunde zu baden. Das geht hier einfach nicht. Ebenso trägt auch das dreckige Umfeld nicht dazu bei, dass hier jemand gesund wird. Ein Teufelskreis. Auch in diesen Kennels merkte man wieder, wie dünn die Nerven hier sind. Die Welpen schreien teilweise einfach durch. Ihnen ist kalt, sie mögen das Trockenfutter nicht, die Füße tun ihnen weh und es juckt überall. Hier sind so viele von ihnen, dass es unmöglich ist, alle in die Klinik zu bringen. Die Kliniken sind voll mit Hunden, denen ganze Hautteile bei Beißereien abgerissen wurden oder Staupe Hunde, die täglich Infusionen erhalten müssen. Unsere Hauthunde hier in Bucov müssen es mit Simparica schaffen. Viele von ihnen sehen nach einigen Wochen auch wieder besser aus, aber jetzt aktuell ist es die schwierigste Zeit, die es irgendwie zu packen gilt. Vielen von ihnen konnten wir heute Stroh bringen und haben die Hütten gecheckt. Ich weiß nicht, wie viele Hütten ich schon mit Stroh gefüllt habe, wie viele Welpen ich schon erfasst und fotografiert habe. Ich zähle das nicht. Es wird nicht von heute auf morgen etwas anders werden. Es werden nicht weniger Welpen geboren und ausgesetzt werden im nächsten Jahr. Irina oder Catalina werden nicht weniger Hunde impfen und um sie bangen. Es geht immer wieder von vorne los. Täglich fahren die Hundefänger raus und bringen neue Hunde nach Bucov. Tag für Tag.
Irina hat uns heute noch um Hilfe gebeten. Sie hat einige Welpen im Container untergebracht und hätte so gerne zeitnah eine Familie für sie, damit sie nicht in die Außenkennels müssen. Jeder einzelne wurde kurz aus seiner Box geholt und auf einen kleinen Wagen mit Decke gestellt – fertig war das Fotostudio. Einer nach dem anderen wandert nun ganz bald in die Galerie und wird hoffentlich zeitig ausreisen dürfen. Jeder einzigartig und besonders, jeder hat diese Chance verdient.
Auch die Kennels 2-11 sind nun alle mit Stroh versorgt, wir konnten einzelne Notfälle erfassen und müssen morgen 3 Hunde Tierärztin Catlina vorstellen, darunter auch ein alter Rüde, der viel zu dünn ist. Diesen haben wir aber erst spät am Nachmittag entdeckt, Catalina war nicht mehr vor Ort. Beim Strohverteilen sind die Hunde immer sehr aufgeregt, so viel Neues passiert hier nicht sehr oft. Das Stroh riecht sehr spannend und die neuen Liegemöglichkeiten werden sofort okkupiert. Ich hatte ein wenig Stroh auf einer Hütte zwischen geparkt, um es nicht in den Matsch legen zu müssen. Als ich zwei Minuten später wieder aufstand, hatte sich dort eine nette schwarze Hündin schon ein Bettchen gebaut und war völlig zufrieden mit sich und der Welt. Was für ein Bild, traurig und schön zu gleich. Wunderbar, dass wir dieser Lady so eine Freude machen konnten. Traurig, dass die Hunde mit so einer Kleinigkeit schon zu glücklich sein können. Ein loser Berg Stroh auf einer Holzhütte ist hier schon eine Steigerung vom Lebensstandard.
Wir merken aktuell, dass zwischen den Jahren hier sehr wenig passiert. Es wird gefüttert und gewässert, aber auch nicht in jeder Ecke. Dreck wird so gut wie keiner weggemacht, so dass sich in manchen Zwingern der Kot wieder türmt. Die Hunde ekeln sich super vor dem Boden, manche balancieren auf den Futtertrögen, um so wenig Bodenkontakt wie möglich zu haben. Ebenso wird auch baulich aktuell gar nichts auf die Beine gestellt. Aniela hat noch zahlreiche Betonplatten organisiert, damit noch weitere Kennels ausgelegt werden können. Gerade die Kennels ohne Dach stehen wieder knietief in der Matsche und im Kot. Heute fing es ab 14 Uhr an zu regnen. Eisiger Guss von oben. Die Hunde sind nach kurzer Zeit durch und durch nass. Die Kennels, die nicht befestigt sind, verwandeln sich innerhalb von Stunden zu Matschlöchern. Erfassen ist dort kaum möglich. Das Schreibbrett, die Handys, das Papier, das Kameraobjektiv ist binnen kurzer Zeit voller Matsche. Die Hunde freuen sich, springen an einem hoch und es ist wirklich die reinste Matschschlacht…Wir hoffen, dass es bis morgen wieder ein wenig abgetrocknet ist, weil Aniela uns gerade heute neue Hunde in einigen Kennels zeigte, die alle nicht überdacht sind. Wir müssen dringend dort rein… denn auch hier gilt: Nur wer in der Galerie ist, wird auch eine Chance haben. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es eine Dauerschleife ist an Tätigkeiten, an Problemen, an immer wiederkehrenden Aufgaben. An Erklärungen. Immer wieder erklären und berichten wir von Dingen, die wir schon sehr häufig beschrieben und erläutert haben. Warum tragen die Hunde Ohrmarken? Warum kann Hund xy nicht in die Klinik gebracht werden? Warum sind die Vetkennels manchmal die letzte Hoffnung? Warum müssen schon die Junghunde kastriert werden? Warum sind nicht alle Mitarbeiter im Tierheim böse Menschen? Jeden Monat müssen wir immer wieder die selben Kosten stemmen. Futter, Kastrationen, Impfungen. Monat für Monat für Monat. Dauerschleife. Das ist zäh. Das ist nicht immer leicht. Das ist manchmal besorgniserregend. Weil nicht einfach der Knoten platz und die Lösungen ist gefunden und alles ist gut. Das ist die große Herausforderung, die der Tierschutz – egal an welchem Ort auf der Welt – in sich trägt. Dadurch wird unfassbar viel gleichzeitig aber auch gefordert von den Menschen, die Tierschutz mit Verstand und Vernunft durchführen wollen. Der Druck, unter dem man steht, ist gefährlich. Jeden Tag könnte man 48 Stunden arbeiten. Alles würde noch besser gemacht werden können. Man könnte für Tier xy vielleicht noch eine bessere Lösungen finden. Man könnte noch länger arbeiten, damit man eben noch mehr Tieren besser helfen könnte. Es ist ein nicht endender Prozess. Und man muss aufpassen, dass man sich nicht völlig darin verwebt und die Fokussierung vergisst. Oder die Kraft verliert. Oder die Hoffnung. Oder die Empathie. Manchmal trifft man auch hier die falschen Entscheidungen. Geht einen falschen Weg. Trifft die falschen Leute. Es gibt so viele Sackgassen, in denen man landen kann. Ein Minenfeld irgendwie. Viele geben irgendwann auf im Tierschutz. Haben viel Gutes getan, aber irgendwann hat das Dunkle so überwiegt, dass man den Sinn und das Licht für die Sache irgendwie aus den Augen verloren hat. Das passiert tagtäglich und ist irgendwie sehr traurig, da somit viele gute Prozesse auf der Strecke bleiben. Aber ich verstehe auch jeden, der sagt: Ich kann das nicht mehr.
Auch heute haben wir wirklich geackert und das Wetter hat seinen Rest dazu getan, dass wir völlig fertig sind. Aber irgendwie hat man nicht das Gefühl, dass man groß etwas geschafft hat. Man hat ein Bruchteil an Hunden gesehen, an Bruchteil von ihnen besucht. Auch hier ist man jetzt wieder gefragt, dass man sich selber nicht in diese dunkle Ecke treiben lässt, sondern weiß, dass auch dieser Besuch wichtig für das große Ganze ist. Heute Abend, als es fast schon dunkle war, haben wir in Kennel 1/5 bei den ganzen kleinen Hautwelpis noch Stroh verteilt. Die kleinen Kerle haben vor Freude geschrien und sich ganz wichtig ihre Bettchen gebaut. Und jetzt liegen sie dort in der Dunkelheit und haben eine verdammt lange Nacht vor sich. Es regnet, vermutlich friert es heute Nacht aber wieder. Eine fiese Mischung. Als wir heute am Ende des Shelter Tages am Auto standen, bot sich uns dieses Bild:
An Tristesse kaum zu überbieten. Kalt. Eisschicht mit Matsche. Kahle Bäume. Schreie und Geheule aus dem Vetkennel. Aufgeregtes Gekläffe bei den Welpenkennels, die auch noch nicht überdacht sind. Die kleinen Kerls sind klatschnass und müssen nun durch die Nacht. 10 Minuten später sitze ich im warmen Auto Richtung Pension und denke daran, dass der Opa aus Kennel 5 bestimmt das Trockenfutter, was man ihm in die Hütte gelegt hat, nicht gut kauen kann mit seinen Zähnen und dass er furchtbar frieren wird, weil er gar nichts auf den Rippen hat. Meine Finger bohren sich ins Lenkrad. Dauerschleife in meinem Kopf.